Wußten Sie, dass Trockensteinmauern in die UNESCO-Liste des immateriellen Kulturerbes der Menschheit aufgenommen wurden?
Was ist an Steinmauern besonders?
Das Aufschichten von losen Steinen ohne Mörtel gibt es seit der Jungsteinzeit. Damals wurden sehr große, unregelmäßig geformte Steine sorgfältig aufeinander geschichtet. Auch in der Wachau sind die Trockensteinmauern mitunter hunderte Jahre alt. Nur so war der Weinbau an den steilen Hängen möglich. Mauersteine wurden aus dem umliegenden Gestein gebrochen. Heutzutage stammt das Baumaterial oft von eingestürzten Trockenmauern.
Die Oberfläche der Trockenmauern wird durch die direkte Sonneneinstrahlung speziell der nach Süden, Südosten und Südwesten ausgerichteten Hänge, von wo der beste, der Smaragd Wein stammt, stark erhitzt. Im Tagesverlauf wird die Lufttemperatur durch das Wärmespeichervermögen der Trockenmauern ausgeglichen. Eine Trockensteinmauer entwickelt je nach Sonnen-Einstrahlungsintensität und Feuchtigkeitsgrad ihr eigenes Klima.
Die Ableitung von Wasser bei Niederschlag erfolgt durch die Mauer hindurch, durch die Mauerkrone und Außenfläche der Mauer, an der Innenseite (Hinterfüllung) der Mauer und zum Teil unter der Mauer hindurch. Auf den Deckelsteinen der Mauerkrone sammelt sich das Wasser in Form von Pfützen. Gespeichert wird Wasser in Form von Kapillarwasser in der Hinterfüllung und im Hinterbau der Mauer.
Die Steinmauern der Wachau bieten mit ihren Spalten, Hohlräumen sowie Sonnen- und Schattenplätzen wertvolle Lebens- und Rückzugsräume für viele Pflanzen- und Tierarten, und locken Sonnenanbeter unter ihnen, wie z. B. die Smaragd Eidechse, der Namensgeberin für die besten und wertvollsten Weine der Wachau, an.
Die Smaragdeidechse ( Lacerta viridis ) ist eine große europäische Eidechsenart mit grüner Grundfärbung mit einem markanten spitzen leuchtend blauen Kopf und einem langen Schwanz. Auf der grünen Grundfarbe haben die Smaragdeidechsen in der Regel kleine schwarze Sprenkel oder ein Zeichnungsmuster mit in Reihen angeordneten, dunklen Abzeichen und weißlich-gelben Linien, die zu Längsbändern verschmelzen können.
Sehr alte Trockensteinmauern in den Weingärten der Wachau können bis zu 500 verschiedene Pflanzen beherbergen. In den Spalten der Trocksteinmauern wächst Vegetation, wie sie auch sonst an den felsigen Standorten in der Wachau zu finden sind.
Weil die Mauerpflanzen oft lange Zeit ohne Wasserversorgung auskommen müssen, dauert es oft Jahrzehnte bis sich Pflanzen auf den Trockensteinmauern durchsetzen können. Als erste Pflanzen in den Trockensteinmauern sind Moose und Flechten zu finden. Sie schaffen eine Lebensgrundlage in den Fugen der Mauern für höhere Pflanzen wie Farne und Polsterpflanzen.
In der Frühlingssonne blüht das goldgelbe Felsensteinkraut, Aurinia saxatilis, auch auf den Trockensteinmauern der Wachau. Saxatilis bedeutet so viel wie „zwischen Felsen befindlich“, während aurinia vom lateinischen Wort für Gold („aurum“) herrührt. Die Blüten des Felsensteinkrauts stehen dicht gedrängt. Eine einzelne Blüte besteht aus vier gelben Kronblättern.
Das Schöllkraut (Chelidonium majus), das gern am Fuß einer Trockensteinmauer wächst, ist eine Pflanzenart aus der Gattung Chelidonium der Familie der Mohngewächse. Der Name leitet sich vom griechischen Wort chelidon ab, was auf deutsch ‚Schwalbe‘ heißt.
Das Schöllkraut blüht gelb von Mai bis Oktober, vom Eintreffen bis zum Wegflug der Schwalben. Der Saft der Pflanze wird äußerlich bei Warzen verwendet. Schöllkrautextrakte wirken antiviral, antibakteriell, antimykotisch sowie entzündungshemmend und schwach giftig auf menschliche Zellen.
In den Fugen der Trockensteinmauern findet man Hängepolster Glockenblume (Campanula poscharskyana) und Mauerraute (Asplenium ruta muraria). Da es in den Mauerfugen extrem wenig Nährstoffe gibt und zusätzlich zu den hohen Temperaturen von der Maueroberfläche hohe Trockenheit herrscht, ist es notwendig, dass die Pflanzen, die hier vorkommen, durch die Mauer durchwurzeln bis sie Kontakt zum Boden und damit zu den Nährstoffen, sowie zum Bodenwasser erhalten. Die Pflanzen verfügen zwar über lange Pfahlwurzeln, haben aber trotzdem nur sehr kurze und verzweigte Triebe.
Die Hängepolster Glockenblume (Campanula poscharskyana) hat lavendelblaue, sternförmige Blüten und blüht von Mitte Frühling bis Frühherbst. Der Name der Gattung Campanula poscharskyana, die allgemein als serbische Glockenblume bezeichnet wird, stammt vom lateinischen Campana und bedeutet Glocke, was den Bezug auf die glockenförmigen Blüten herstellt. Der spezifische Beiname poscharskyana ehrt Gustav Adolf Poscharsky, der von 1832 bis 1914 lebte und Obergärtner in Dresden war.
Die Campanula poscharskyana ist eine Pflanze mit glockenförmigen, lila-blauen Blüten mit sich erweiternden, sternförmigen Lappen. Sie erscheint im späten Frühjahr in losen Rispen entlang der Stängel und verfügt über langstielige, ovale bis herzförmige, mittelgrüne Blätter.
Die Mauerraute (Asplenium ruta-muraria), kleine mehrjährige immergrüne Farne, ist eine Pflanze aus der Familie der Streifenfarngewächse. Die Blätter sind zwei- bis dreifach gefiedert und im Umriss unregelmäßig dreieckig bis oval. Die Mauerraute ist eine immergrüne Rosettenpflanze, die auch einige Zeit Trockenheit aushalten kann. Eine Rosettenpflanze ist eine krautige Pflanze, bei der alle oder die meisten Laubblätter am Stängelgrund zu einer Rosette gedrängt stehen. Die Befruchtung erfolgt wie bei anderen Farnen durch einen Wassertropfen. Die Mauerraute wächst zwischen den Rissen und Spalten der Trockensteinmauern, in denen das Mikroklima für das Keimen der Sporen günstig ist.